Der Entstehungsprozess und Vorwort zum Katalog

Mit der Ausstellung „Briefe von der Front“ greift der Stadtteiltreff Gonsenheim ein Thema der Erinnerungs- und Gedenkkultur auf – ein Themenfeld, das eher als schwierig gelten dürfte. Wir sind aber begeistert von der unglaublichen Resonanz auf unseren Aufruf zur Mitarbeit, über Erarbeitungsprozess in der Arbeitgruppe bis hin zu den Besuchern unserer Ausstellung. Auch über die zahlreichen positiven Reaktionen haben wir uns sehr gefreut.. Es scheint als hätten wir mit unserem Ausstellungsthema einen Nerv der Zeit getroffen?

Mit der sehr erfolgreichen Vorgängerausstellung „Jüdische Nachbarinnen und Nachbarn zwischen Ausgrenzung und Integration“ vor zwei Jahren im Stadtteiltreff wurde deutlich, wie wichtig in der Erinnerungsarbeit der persönliche, örtliche oder familiäre Bezug zu einem Thema ist. Gerade weil immer weniger Menschen leben, die von ihren persönlichen Erfahrungen aus Kriegszeiten berichten können, ist dieser Aspekt für eine wirksame Erinnerungsarbeit besonders wichtig. Denn durch die Erlebnisberichte vorangegangener Generationen, wie es Feldpostbriefe sind, können wir uns besser in vergangene Zeiten hineinversetzen. Wir dürfen aber trotzdem nicht der Versuchung erliegen und sie unkritisch lesen, weil die Akteure nun einmal eben dabei gewesen sind.. Denn natürlich spiegelt sich in den Berichten unserer Briefeschreiber auch immer wieder Vorurteile, so zum Beispiel wenn der Russlandfeldzug thematisiert wird. Aber auch der im Nationalsozialismus immer wieder beschworene Glaube an den „Führer“ Adolf Hitler drückt sich in manchen Briefen aus. In der vorliegenden Ausstellung geht es erneut um Menschen, die hier in Gonsenheim gelebt haben. Um Familienmitglieder aus vorausgegangenen Generationen. Ihre Briefe und Geschichten sind authentisch und lebensnah und berichten uns mit den beschriebenen Einschränkungen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges.

Beim Entstehungsprozess wurde schnell klar, dass wir viel mehr Material haben, als sich jemals in einer Ausstellung verarbeiten lassen würde. Daher haben wir uns dazu entschlossen das zusätzliche Material in diesem Katalog zugänglich zu machen zu dem Jeder und Jede aus unserer 10 Personen starken Arbeitsgruppe seinen/ihren Teil beigetragen hat. Das gesamte hier zur Verfügung gestellte Material soll als Transkript, also übersetzt aus der Sütterlinschrift, dauerhaft zugänglich bleiben. 

So kann es auch als Ausgangspunkt für die historische Bildungsarbeit sein und vor allem die Arbeit der Mainzer Schulen unterstützen. Als Auftakt einer solchen Beschäftigung enthält der Katalog auch drei Unterrichtsentwürfe, die unser Quellenmaterial als Ausgangspunkt nehmen. Diese wurden uns dankenswerterweise von Volker Brecher und Viktoria Pörsch von der IGS-Bretzenheim zur Verfügung gestellt. 

Für in der Ausstellung haben wir ausschließlich Material aus dem 2. Weltkrieg verwendet. Da unser Aufruf aber auch sehr interessantesMaterial aus dem 1. Weltkrieg zutage gefördert hat, drucken wir dieses ebenfalls Katalog ab. Besonders spannend ist hierbei ein Brief eines in Verdun stationierten deutschen Soldaten. Er zeigt, wie im Ersten Weltkrieg die anfängliche Kriegsbegeisterung verflog und nach dem lang anhaltenden Stellungskrieg durch Ernüchterung abgelöst wurde.

Wenn man einige Briefe liest, leidet man an vielen Stellen mit und fühlt sich in die persönliche Situation der Menschen hineinversetzt. Wir können froh sein, solche Situationen nie selbst erlebt zu haben. Gleichzeitig gilt aber immer noch was wir im Geschichtsunterricht gelernt haben. Viele Deutsche waren Opfer des Krieges und verloren nicht nur ihr Hab und Gut, sondern auch Familienmitglieder, manche auch die Heimat. Trotzdem waren sie für die nationalsozialistische Herrschaft mitverantwortlich. Denn Hitler erlangte seine Macht eben nicht durch einen Umsturz, sondern wurde gewählt und errichtete ein diktatorisches System, welches ohne die Unterstützung der Bevölkerung nicht hätte funktionieren können.

An dieser Stelle danken wir allen Menschen, die an dieser tollen Ausstellung beteiligt waren. Thomas Bartsch, der die Idee für die Ausstellung zu uns getragen hat und die Offenheit, das Thema gemeinsam mit allen Interessierten zu bearbeiten. Außerdem für die vielen Stunden, die er in die Realisierung der Ausstellung gesteckt hat. Wir danken Martina Schaefer, die in mühevoller Kleinarbeit zahlreiche Briefe aus der Sütterlinschrift in für uns lesbare Buchstaben übertragen hat. Frank Hüther, unser Historiker, der dafür gesorgt hat, dass die Ausstellung auch wissenschaftlichen Standards genügt. Simeon Guthier, ebenso vom dem Institut für geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V., für das Hosting unserer Webseite sowie für deren Gestaltung. Helmut Hochgesand für das Drehbuch der szenischen Lesung, sein Material und natürlich seine Mitarbeit. Sunneva Günther und Oliver Wrobbel, für ihre Beteiligung an der der szenischen Lesung und die vielen „Fleißarbeiten“. Helga Bestian, Gerhard Adam, Werner Nonnenmacher und Detlef Zechmeister, die sich alle mit ihren Geschichten, ihren Briefen und ihrer Mitarbeit eingebracht haben. Und natürlich allen, die uns Material zur Verfügung gestellt, uns mit Ideen unterstützt, haben oder im Rahmenprogramm mitgewirkt haben. DANKE!

Millionen von Menschen aller Nationalitäten sind im ZweitenWeltkrieg gefallen oder von den Nazis ermordet worden. Und auch heute noch sterben täglich Menschen in den Kriegen und Konflikten dieser Welt. Unsere Ausstellung soll ein Zeichen sein gegen jede Form von Hass und Intoleranz, gegen Gewalt und Krieg. Denn heute wie früher gilt: Es ist an der Zeit!

Die Redaktion