Die Feldpost des Franz Steiger

20.01.1917: 

„Am Fronleichnam 1916, um 9.28 Uhr rückten wir von Darmstadt ab über Mainz-Bingen-Kreuznach-Neunkirchen-Saarbrücken-Diedenhofen-Mont-Medy etc. bis vor Verdun. (Cap-Lager) Von Mont-Medy aus sieht man schon deutlich an den Häusern die Spuren des Krieges. Auch nachts merkt man schon am Himmel den Feuerschein der Kanonen. Die Züge fahren ohne Licht und langsam, auch sind die Bahnschranken durch Landsturmleute bewacht. In Mont Medy werden wir schon nachts mit Fliegerbomben beehrt, die einen Eisenbahnschaden verursachten, ebenso 7 Tote u. 14 Verwundete. In Spinncourt wurden wir mittags 2 Uhr ausgeladen, mußten aber liegen bleiben bis zum Eintritt der Nacht, dann wurden wir mit einer kleinen Feldbahn nach Romange befördert, um dann am nächsten Tag in das Cap-Lager zu marschieren. Hier mußten wir nun jeden Tag im Fort Duamont die Verwundeten holen. Dabei mußten wir durch unsere Artillerie-Stellungen , wobei wir manchmal schrecklich befeuert wurden.  Die Kompagnie hatte hier viele Tode u. Verwundete. Der Weg betrug ca. 3 Stunden hin u. ebenso viel her. Hier haben wir wirklich schwere Tage verlebt & sehnte sich bald jeder nach Ablösung, aber leider vergebens. Was von der Artillerie hier geleistet wurde, hüben wie drüben, kann nur derjenige sagen, der selbst dabei war, das ganze Tag und Nacht. Wenn ein Infanteriesturm vorbereitet wurde, war ein richtiges Höllenfeuer. Wenn man sich zwischen den beiden Artilleriefeuern befindet, weiß man nicht mehr wo man hin soll. Hier sah ich auch mal unsere 42cm schießen, ganz aus der Nähe. Ihr Schlag ist nicht so stark als man sich vorstellt, aber der Druck ist ganz gehörig. Die Franzosen laufen viel über, wobei sie oft von ihrem eigenen Truppen mit Maschinengewehren befeuert werden. Genauere Angaben über Verwundeten & Angriff etc. kann ich leider hier nicht machen, aber die Zahl & Art der Verwundeten war schrecklich. Wir wurden nachts öfters durch Flieger im Schlaf gestört, die großen Schaden anrichteten & mancher Kamerad, der sich hier vor Geschoßen sicher glaubte, mußte dann sein Leben auf diese Weise opfern. Endlich kam die Erlösung, an dem Freudentag, den 24. Aug. rückten wir endlich ab in die ??rigounen. Wir marschierten mittags ½ 3 Uhr ab nach Spinncourt (vor 2 Monaten hier ausgeladen) wo wir in der Nacht ankamen & um ½ 3 Uhr nachts abfuhren. Am nächsten Mittag wurden wir in St. Jurin ausgeladen & marschierten noch 2 Stunden bis Exermont (???ion). Von hier aus hatten wir 4 ½ - 5 Stunden zu marschieren bis in die Stellung. Obwohl  daselbst unsere Unterstände teils in den vordersten Stellungen, teils kurz dahinter waren, war es doch bedeutend ungefährlicher als vor Verdun. Verwundete oder Tode gab es fast gar keine & spielten wir daher den ganzen Tag Karten, [???] wir mußten immer 4 Tage in Stellung bleiben & konnten natürlich nicht frei herumlaufen, sondern mußten immer in Deckung bleiben. Von Granaten ist fast nichts zu merken, das meiste besteht in Maschinengewehrfeuer & Mienensprengungen. Hier haben wir z.B. einen hohen Berg ??? wie eine 4stöckige Kaserne ausgehöhlt. Im obersten Stock ist die vorderste Stellung & unten schon liegt die Kasernen. Die Stellungen sind hier sehr sehr gut ausgebaut. Hier gefiel es uns allen sehr gut & wir hätten es auch noch lange hier ausgehalten, aber leider brachte schon der 7. Sept. eine Enttäuschung. An diesem Tage rückten wir ???chen 3 Uhr ab & sollten abends 6 Uhr in St. Jurin verladen werden. Wohin unbekannt, jedenfalls nach Rumänien, das leider inzwischen auch zu unseren Feinden übergetreten ist. Die Flieger hatten jedoch die Bahnstrecke zerstört & wurden wir nach ½ Stunde ??? wieder zurückgeholt. Da unsere Quartiere inzwischen belegt waren, mußten wir Massenquartier beziehen in eine??? Excermont. Hier war ein schreckliches Durcheinander, auch fehlte es nicht an großen Mengen von Wanzen, Flöhen, Läusen, Ratten & Mäusen, die stets bei uns waren. Am nächsten Tage ging es doch schon weiter & hoffen wir alle sagen zu Männern „Adieu Frankreich, auf Nimmerwiedersehen.“ Ein  etwas ängstliches Gefühl mischt sich doch in die Stimmung, denn es heißt weiter: „Abwarten, was jetzt kommt, wird es besser oder schlechter?“ Abend 11.25 Uhr (am 8.???.16) Abfahrt in St. Jurin über: Carigan, Dieddenhofen, Saarbrücken, über Landau durch die bayr. Pfalz, Germersheim Bruchsal – Ulm – Augsburg – München – Rosenheim – Salzburg - ???- St. Pölten – Wien – Budaspest  - ??? – Pes???. Am 13.???16 nachts 2 Uhr kamen wir in Avinezi an & marschierten dann noch 1½ Stunden bis Mühlbach (Ungarn), wo wir ins Quartier kamen. Die Fahrt war sehr interessant, nur ließ die Verpflegung  an vielen Stellen, die ich hier nicht nennen kann, sehr zu wünschen übrig. In Mühlbach ist es sehr schön, ein Leben wie bei uns in einer kleinen Stadt. Am 22. ??? rückte ein Teil der Komp. (auch ich dabei) ab, um ins Gebirge zu gehen. Wir kamen bis Urwege ??? (Ungarn), wo wir nachts 2 Uhr schon wieder weg mußten. Hier waren die Bewohner schon vor den Rumänen geflüchtet, kehrten aber wieder zurück & begrüßten uns mit Freuden. Die Leute wußten nicht, was sie uns alles tun sollten & wäre es auch vielleicht bei uns, bei so Marnihen gut, wenn er mal von unseren Feinden auf einige Tage besucht würde, sicher würde er dann anders denken!!! 

Nun marschierten wir dauernt??? im Gebirge,  zwischen 1000 & 2300 mtr. Höhe herum, bei Regen, Schnee & Eis, vollkommen von der Welt abgeschnitten. Es ist keine menschliche Seele, keine Hütte zum schlafen, ja meistens noch kein Baum zu sehen, nichts als endloses Gebirge. Nachts liegen wir unter unseren Zelten in Schnee & Eis. Ihr  ??? jeden Tag weitergondelten konnten unsere Post  nicht nachkommen & die Verpflegung ??? selbstverständlich sehr ???  Erzählen kann man dies garnicht genau & hätte kein Mensch geglaubt, daß dies auszuhalten wäre. Am meisten wird auch das Rauchen vermißt. Wir hatten insgesamt 53 B??? mit einer Unterbrechung von einer einzigen Nacht, die wir in Beuza verbrachten. Liebe Herr Lehrer! Sie dürfen mir sicher glauben, daß das hier geleistete alles andere übertrifft, ohne damit zuviel zu sagen. Nach längerem Wandern durch das Land sind wir nun endlich in Odobesti, eine Station vor Festung Fosani gelandet & soll unser Korps hier gesammelt werden, etwas Ruhe bekommen (unsere ??? liegt seit 8 Tagen in Ruhe, derer wir auch sehr bedürfen) & dann auf einen Kriegsschauplatz kommen, wohin unbekannt.

Allerdings hatten wir in letzter Zeit, seitdem wir Abends in Quartiere ???, auch manch‘ schöne Zeit. Da werden Gänse, Enten, Hühner, alle 2-3 Tagen, auch Schweine???, junge Ochsen geschlachtet & gebraten, zünftig gegessen, den nötigen Wein dazu geben [unleserliche Stelle, Knick im Papier] Tag auf den Marsch vorbereitet. Ein jeder sucht sich was ihm schmeckt???. Hätte man nur zu Hause, das was hier „flöten“ geht. ??? & Wein, auch Schnaps ist hier in Hülle & Füller & haben wir tatsächlich eben ein Leben wie „Gott in Frankreich“ . Wenn die Zivilbevölkerung etwas will, mit denen werden wir fertig, Revolver vorgehalten, schon ist  sie ruhig. 

Es würde mich sehr freuen, bald auch mal was von Ihnen zu hören & hoffe daß es Ihnen & Familie gut geht & begrüße Sie bestens 

Ihr Franz Steiger