Die Feldpost des Johann Barth

19.02.1915:
„Geehrter Herr Lehrer! So oftmals habe ich jetzt schon an Sie gedacht, wenn ich so manchen unter meinen Kameraden sehe, der sich seine Briefe und Karten von anderen schreiben läßt. Ich danken Ihnen jetzt noch vielmals dafür, daß Sie mich so manches gelehrt haben, worüber viele, sogar jüngere, überhaupt keine Ahnung haben. Vor allen Dingen hoffe ich, daß es Ihnen Spaß macht, von einem früheren Schüler, einmal etwas zu hören. […] Entschuldigen Sie bitte das etwas schmutzige Briefpapier, es ist eben im Felde nicht anders. […]

02.03.1915: 

[…] Die Stellung ist sehr schön und sicher ausgebaut. Wir haben hier bombensichere Unterstände, manche davon 4-5 meter in der Erde. Der feindliche Schützengraben ist nur 400m von Unserem entfernt. Sonst ist die Lage hier ganz ruhig. Manchmal schießt die feindliche Feld.Art. wie wahnsinnig, in 3 Std. ungefähr drei-vierhundert Granaten zu uns, aber faßt alle 100m hinter uns. Ganz selten geht einmal ein Treffen in den Graben. Seid den drei Wochen, wo wie hier sind, waren es im I. Btl. nur deren drei. Dabei gab es einen Toden und 3 Verwundete. Soviel wie man hört, bestimmt kann man es ja nicht sagen, sollen die Leute, welche von Anfang dabei sind, im Monat April einige Tage Urlaub erhalten. Mir würde das doppelt Spaß machen, denn ich habe im Januar Familienzuwachs (ein Töchterchen) bekommen. Ich kann Ihnen die freudige Mitteilung machen, daß meine liebe Frau nebst Kinde gesund und munter sind.  Ihr Sohn wird hoffentlich ganz gesund sein, damit er die par Wochen, die anscheinend der Krieg noch dauert, aushält, und wohlbehalten, als Sieger in sein Elternhaus zurückkehrt. […]“

Brief vom 02.03.15 

Auflistung der Mitschüler aus Barths Klasse (schwer zu lesen):

Noch einige Schüler, die im Regiment sind!

Marbeck, Joh. verw. Zu Hause

Müller, Math.., Maurer, 2. Comp. war verwundet ist zum zweitenmal hier

Unteroffizier Schmitt Aug, und dessen Bruder Fritz 4. Comp.

Walter Jos. 5. Cop. kam im Dez. nach Russland.

Kiefer Ant. Steiger Joh. Kaufm. 6. Comp.

Sertorius Julius Maurer 7. Comp. schw. verw. am 22. März 14. Fehlt ein Fuß. Lazarett „Cöln“.

Walter Jos. Postbote 7. Comp. große Bagage

Unterofz. Kleinz. 8. Comp. Beim Stab.

Bäcker Sep. 8. Comp. krank.

Mathes Joh (Kerne Hannes) 8. Comp. war verw. z. zweitenmal hier.

Kreig Fr. 10. Comp. Krank z. Hause.

Spies Jos. 11. Comp. (Fabrickarbeiter) krank zu Hause.

Spies Pf. Wagner 7. Comp.

Görlich Karl. Schosser 6. Comp. Seid 15.9.14 in Gefangenschaft.

Schmitt Mart. (Hausburche) 7. Comp. krank zu Hause.

Gefallen ist nur Türmer Franz am 22. Aug. bei Masseng Inf. Reg. 118. 

12.05.1915: 

„[…] Am 5. Mai las man schon im französischen Tagesbericht „Den fdl. Stützpunkt vor Chaulera ??? gänzlich vernichtet.“ Jetzt ist aber wieder alles so ziemlich in Ordnung, und unser Bestreben ist, in nächster Zeit unsere lieben Kameraden zu rächen. Es wird uns ein Spaß sein den „Rothosen“ das Bajonett in den Bauch zu rammen, sie haben es nicht anders verdient. Lieber Herr Lehrer! Ich bitte Sie aber, diese Skize nicht weiter zu geben, denn es ist streng verboten, so etwas nach der Heimat zu senden. Ich weiß aber daß Ihnen dieselbe Freude macht, und Sie wißen sicher noch von meiner Schulzeit her, daß ich gerne zeichne oder male. […]

20.05.1915, Chaulnes: 

„[…] Mir geht es bis jetzt gut, bin auch noch gesund und munter. Mit dem Urlaub giebt es so schnell noch nichts, wir armen 117er sind damit übel bestellt, trotzdem bis jetzt alle alten Leute, sämtlicher hess. Regtm. Schon Urlaub hatten. Im Juni kommen wir in Armeereservem da könnte es vielleicht der Fall sein. Armeereserve ist auch nichts schönes, da steht man der Armee zur Verfügung, und wenn es irgendwo brenzlich wird, da muß man sofort einsetzen. Am liebsten würde ich dauernd in einer Stellung bleiben, aber in einer guten, von hier habe ich die Nase voll. Jetzt eine Schilderung des 4ten Mai 1915, ein Tag, den ich nie vergessen werde, es ist wohl der schlimmste, den ich im Stellungskriege erlebt habe. Der Morgen graut, Die Lerchen drillern ihr Morgenlied, die Sonne geht auf und es es zieht ein wunderschöner Maientag (der Geburtstag meiner lieben Frau). Wir waren alle frohen Mut’s, fidel und munter. Der Vormittag verlief mit Wachen, Kartenspielen und erzählen über die allgemeine Lage. Nach dem Mittagessen wurde, von denen die nicht gerade Wachte hatten ein Schläfchen gemacht. Um 5 Uhr vernahmen wir plötzlich ein fürchterliches Rauschen, kurz darauf eine kolosale Explosion. Man sah hinter unserer Stellung einen großen Baum in die Luft fliegen. Die Granate hatte ihn aus der Erde herausgerißen. Nach 3 Minuten hörte man dasselbe Geräusch wieder, zu unserem Erstaunen sahen wir die „Dinger“ sogar fliegen, auch ging der zweite Schuß schon näher. Wir bekamen von unserem kampf??? Herrn ??? den Befehl uns so schnell wie möglich weiter nach links zu machen, und das war auch unser Glück, denn kaum waren wir weg, das saß auch schon eine direkt im Graben. Von ungefähr 100m Entfernung sahen wir dann dem Schauspiel zu. Es folgte immer gleichmäßig nach 3 Minuten ein Schuß und so haben wir dann 20 gezählt. Endlich hörte die Kanonade auf, und einer nach dem anderen wollte wieder an seinen Platz, aber leider war das unmöglich, dann der Graben war in einer Länge von 100m völlig eingeebnet. Da stieg uns der Gedanke auf „Sollen sich auch alle gerettet haben.“ Unser Kompagnieführer ließ feststellen, leider fehlten dann vom 3ten Zug 1 Untffz. und 5 Mann. Da gab es gleich ernste Gesichter. Es hieß „Sie sind verschüttet“. Arbeiten konnten wir noch nicht, da wir nur 80m vom fdl. Grb. entfernt sind, und es noch Tag war, gruben wir, weil doch nicht mehr an das Leben unserer lieben Kameraden zu denken war, einen Notgraben um uns darin zu verteidigen. Wir arbeiteten die ganze Nacht am Morgen suchten wir dann nach den Verschütteten. Das erste was wir fanden, es war ein trauriger Anblick, war ein „Herz“, tagsüber fanden wir noch einen Mann, in der Nacht gruben wir noch drei Mann aus. Der nächste Morgen war sehr neblig, da fanden wir im Drahthinderniß, etwa 85m vor dem Graben den Mann, zu dem das Herz gehörte. Erst gestern fanden wir den Unteroffizier. Heute wurde er beerdigt. Die Gräber werden alle pfotografiert, ich werden Ihnen Bilder davon senden. Dieselben werden wunderbar. Durch die Artilerie wurde nun gestgestellt, da0 es eine Schiffsbaterie au einen Panzerzug montiert, war, und die Geschoße ein Kaliber von 30,5cm hatten. Die Löcher die diese machten waren 5m tief und hatten einen Durchmesser von 10m Also einfach unerhört, mit solchen Geschoßen auf einen Schützengraben zu schießen. Am 5. Mai las man schon im französischen Tagesbericht „Den fdl. Stützpunkt vor Chaulnes gänzlich vernichtet.“ Jetzt ist aber wieder alles so ziemlich in Ordnung, und unser Bestreben ist, in nächster Zeit unsere lieben Kameraden zu rächen. Es wird uns ein Spaß sein den „Rothosen“ das Bajonett in den Bauch zu rammen, sie haben es nicht anders verdient. Das Dorf Lihons  war schon in unserem Besitz, mußte aber von uns wieder geräumt werden, hoffentlich werden wir es bald wieder haben und auch behalten. Indem ich hoffe, daß wir uns nach dem Kriege, gesund und munter wiedersehen, grüßt Sie, nebst Ihrer lieben Familie, Ihr frh. Schüler Johann Barth.

Anbei übersende ich Ihnen eine von mir selbst gemachte Skize, von der fdl. Stlg. Vor Lihons, und der Stellung des Rg. 117. Vor Chaulnes. Das eingeklammerte im Stützpunkt(e) ist unser Kompagnieabschnitt und wurde am 4. Mai faßt föllig eingeebnet. Lieber Herr Lehrer! Ich bitte Sie aber, diese Skize nicht weiter zu geben, denn es ist streng verboten, so etwas nach der Heimat zu senden. Ich weiß aber daß Ihnen dieselbe Freude macht, und Sie wißen sicher noch von meiner Schulzeit her, daß ich gerne zeichne oder male. Nochmals viele herzliche Grüße, und die Hoffnung auf ein frohes Wiedersehen

01.07.1915: 

„[…] Unser Quartier hier ist sehr gut, nur müßen wir auf die guten Betten, welche zu Hause leer stehen, verzichten; nun das haben wir uns auch schon abgewöhnt. […] Ich bin jetzt noch der einzige im 1. Batlg. Von den Laubenheimern, welcher in vorderster Linie ist. […] Ich bin ein Pechvogel, habe kein Glück. […] Hier ist es eben sehr ruhig, es fällt faßt kein Schuß. Des Nachts unterhalten wir uns auf diese kurze Entfernung mit den Franzosen. Sie rufen Russin kaput la guerre fini. (Ruß kaput, Krieg fertig.) Sie sind das Leben im Schützengraben müde, und haben uns gebeten, wir sollten nicht soviel schießen, sie würden es auch nicht tun, es hätte keinen Wert, daß man sich so gegenseitig totschießt. Es ist ein Landwehrregiment und sind fast alle verheiratet. Nun solange sie brav sind, wollen wir auch brav sein. Wir haben Ihnen eine Zeitung hinüber geschossen, mit dem Sieg von Lemberg, da haben sie „Hurra“ (ura, der Franzose kann kein H aussprechen) gerufen. Sonst ist noch Alles beim Alten. […]“

13.11.1915: 

„[…] Mir wäre es sehr lieb, wenn wir mal auf einen anderen Kriegsschauplatz kämen, denn hier in Frankreich gefällt es uns nicht mehr. Am liebsten wäre es mir ja, wenn es endlich mal Friede geben wollte, denn es ist jetzt lange genug. […]“

10.12.1915: 

[…] „Wie schön wäre es, wenn wir dieses Weihnachtsfest schon im Kreise unserer Familien feiern könnten, aber leider ist dies nicht möglich. Ob wir das Glück im nächsten Jahre haben liegt in Gotteshand; denn bis dahin wird wohl die große Sache ein Ende gefunden haben; aber mancher, der noch in diesem Jahre das Weihnachtsfest erlebt, wird in fremder Erde ruhn. Ich glaube aber, daß das Fest auch zu Hause nicht so fröhlich sein wird, wie in früheren Jahren; denn bei tausenden Familien fehlt der Vater, o wie traurig muß das sein. Im Geiste kann ich mir ein Bild malen, wie meine Frau, mein Kind und meine Eltern um den Weihnachtsbaum sitzen. Was machen Sie? Sie weinen, ja Sie weinen!. Und so geht es in vielen, vielen Familien. Nun hoffentlich haben die Engländer nicht wieder auf Weihnachten etwas im Schild. […]“

04.03.1916, Friedberg:  

„[…] Ich will Euch kurz die drei Tage, welche ich mitgemacht habe, schildern: Die Offensive sollte schon am 11.II.16 beginnen, da aber sehr schlechtes Wetter (Schnee, Regen und dicker Nebel) eintrat, wurde die Sache um 10 Tg. Verschoben. Wir lagen im Quatier in Romangne, am 21.II.16 früh um 8.30 Uhr begann das Trommelfeuer um uns. Obengenanntes Dorf liegt an einem hohen Berg. Dieser Bergabhang war voll gespiekt von Geschützen aller Kaliber. So standen in unserer Nähe vier 42.er Mörser, alle 5-6m ein 21.er dann 30,5cm, 38.er Langrohr, Küstenmörser Also alle Arten schwerer Artillerie die man sich nur denken kann und so viel, daß man sie nicht zählen konnte. Kaum trommelte unsere Artl. eine halbe Std. da erwiederten die Franzs. Das Feuer, und wir mußten aus unseren Quartieren flüchten. Wir hatten schon einen Toten und zwei Verwundete. Nun lagen wir den ganzen Tag und die nächste Nacht bis 3 Uhr morg. an dem steilen Abhang des Berges. Wir lagen gerade vor einem 42.er. dessen Geschosse man ganz gut fliegen sah. Wir hatten sehr viel auszuhalten, durch den Luftdruck beim Abschiesen. Um 3 Uhr  früh gingen wir einige klm vor, und gruben uns bie Ville ein. Das höllische Feuer dauerte bis 12 Uhr mittags. 22.II.16. Der Sturm soll beginnen um 12 Uhr. Reg. 115 in erster Linie, Reg. 117. In zweiter. Da kam Befehl: Leib u. 2. Comp. Reg. 117. Stürmt in erster Linie Leib/Comp. Anschluß rechter Flügel Garde-Grenadier Rg.8. So mußten wir schon um 11 Uhr aus unserem Graben, damit wir bei Zeiten in der ersten Stellung waren. Durch ein par Sprünge hatten wir die erste Stellung erreicht und keine Verluste.  Punkt zwölf Uhr verlegte die Artl. das Feuer weiter, wir gingen aus dem Graben, gut bewaffnet mit Handgranaten (jeder Mann 6 Stk) Nun sah man erst was unsere Artl. gearbeitet hatte. Alles verwüstet. Wir kamen nur langsam durch den Wald, da noch viele Blockhäuser mit Maschinengewehren besetzt waren. Die Franzosen verteidigten sich sehr tapfer, wir nahmen Ihnen aber ein Blockhaus nach dem anderen, und machten viele Gefangenen. Wir verloren am 22.II.16. 14 Mann. Wir säuberten faßt den ganzen Wald. In der Nähe des Waldrandes gruben wir uns für die Nacht ein. (Kein Gegenstoß vom Feind.) Am 23. Morg. 8 Uhr begann das Trommelfeuer wieder, und um 12 Uhr begann der Sturm. Unsere Aufgabe war das Dorf Beaumont zu nehmen. Wir mußten über 3klm freies Gelände, voll von Drahtverhaue, Auf diesen Gelände mußten wir stark bluten, weniger von Artl.  nur M.Gewh. Bis wir uns über diese Gelände gearbeitet hatten, fing es schon an zu dunkeln. Um 5 ½ Uhr stürmten wir das Marviller-Wäldchen, und da erhielt ich einen Gr.Spl. in die l. Hand. Ob ich den kl. Finger verliere weiß ich noch nicht. Wir wollen das beste hoffen. Ich ging dann zurück zur Verbandstelle. Hofs. Bastl. hat auch einen Spl. im l. Unterarm, aber ganz klein. Er ist auch hierher (nach Frdbg.) gekommen. Sonst geht es mir noch ganz gut, die Verpflegung ist sehr gut, die Behandlung ------------„ 

31.05.1916: 

„[…] Dann will ich Ihnen noch mitteilen, daß sich meine Familie vergrößert hat, ein Mädchen. Mutter und Tochter sind gesund und munter. Ich war halt damals, als ich im Urlaub war, im August, nicht brav genug. Schadet aber nichts. […]“

21.09.1916, Biefvillers (Somme): 

„[…] Die Engl. greifen fast jeden Tag an. An manchen Tagen sogar mehreremal. Da muß man auf der Hut sein. Aber unsere Musketen spucken nur Tot und Verderben. Es ist ja kein Krieg mehr, nur noch ein Morden. Auf uns und die M.G. haben sie es ganz besonders abgesehen. Schützengrb. sind keine mehr da, nur noch Granatlöcher, dazu noch das schlechte Wetter, dann das engl. Artl.Feuer so stark, daß man öfters noch kein Essen holen kann, die Gedanken um die Familie u.s.w., das bringt die Leute bald zur Verzweiflung. Nun die längste Zeit wird wohl die Offensieve gedauert haben. Am 29. Sept. müßen wir wieder vor. […]

06.10.1916, Westen, an der Somme: 

„[…] Gestern sind wir wieder zurückgekommen auf einige Tage. Haben schwere Verluste gehabt bei Thiepval Besonders am 27. Sept. Ich bin mit Gottes Glück nochmals heile herausgekommen. Am 25. Sept. wurden wir arlamiert Die Ereignisse bei Thiepval und Umgegend werde ich wohl nicht aufzeichnen brauchen. Sie werden es in den Zeitungen gelesen haben. Es ist ja zu fürchterlich hier, man ist ja gar kein Mensch mehr. Ich weiß nicht wie lange das noch so weiter gehen soll, die vielen Menschenopfer, Tag und Nacht ist es nur ein Grolle. Am 28.ist eine ganze Gruppe in Gefangenschaft gekomen, ich war gerade nicht da, war zum Essenholen weg. Wenn man aber Familie hat, so ist immer eine schlechte Gefangenschaft besser als ein schöner Grabstein. Nehmen Sie mir den Satz nicht übel, denn ich bin noch ganz nervös, daher auch die schlechte Schrift. Je länger ich schreibe, desto schlimmer wird es. Meinen Angehörigen habe ich auch 10 Tage nicht schreiben können, was wird sich meine arme Frau Gedanken machen. Aber ändern kann man es nicht. Lieber Herr Lehrer! Ich kann Ihnen tatsächlich nichts mehr schreiben habe keine Gedanken mehr. Wenn die Sache ruhiger wird, dann schreibe ich mehr. […]“ 

23.10.16, Postkarte: 

„[…] Das Toben der Engl. läßt hier nicht nach. Sie ruhen nicht eher bis Sie ganz am A??? Bach sind. Die Dörfer an der Front verschwinden ganz von der Bildfläche. […] Was die Engl. hier führ Anstrengungen machen ist kollosal, was sie erringen müßen sie teuer bezahlen. Aber auch wir bluten sehr stark. Der Flugplatz von Herrn Boelke ist hier, diese Tage holte er sein 35tes herunter. Sehr interessant, diese Fliegerkämpfe. Unsere beste Deckungen haben wir verlasen und müßen uns Tag und Nacht auf der Treppe aufhalten. Die Unterstände sind alle erst angefangen und erst 14-20 Treppen tief, wenn ein Eingang zugeschossen wird, ist man lebendig begraben […]“

29.10.1916: 

[…] In den Zeitungen werden Sie wohl schon von dem Tode des Htm. Boelkes gelesen haben. Gewiss ein sehr trauriger Fall. Da ich Augenzeuge davon war (natürlich nicht ganz nahe) will ich Ihnen einiges davon schreiben. Obengenannter schoß gestern sein 42. Flgzg. Ab. Beim manövrieren flog B. mit einem anderen deutschen Flieger zusammen und stürzte aus einer Höhe von ungefähr 3000m ab. Der andere Flieger kam hier auf dem Flugplatz an, und hatte ein Stück von den Tragflächen von B’s Apparat in den Rädern hängen, was die Schuld war, daß sich auch dieser Aparat beim Landen überschlug und ganz auf dem Rücken lag. Dem Führer hat es nichts getan. Ich bin mal gespannt was die Zeitungen über diesen Fall schreiben. Lieber Herr Lehrer! Ich bitte Sie dringend, Niemand zu sagen, woher Sie das wissen, denn es ist verboten, Solches nach Hause zu schreiben. In den Zeitungen wird wohl nur kurz von einem Unglücksfall geschrieben. […]

21.02.1917, Postkarte, Westfront: 

„[…] Am 12.II.17 wurden wir an der Somme herausgezogen, und jetzt liegen wir zwischen Hirsau und Beon ???. Natürlich sollen wir hier eine Erholungskur durchmachen, aber leider ist eine Hungerkur daraus geworden. Die Verpflegung ist hier so schlecht, daß wir uns alle wieder in die Front wünschen so schnell wie möglich. Wir werden wohl auch an die Aisne kommen. […]“

01.04.1917: 

Postkarte: „Soviel man hört, kommen wir wieder in die Somme Gegend, nun da sind jetzt lauter neue Stellungen und sicher ist es jetzt dort angenehmer wie vor einigen Monaten. Na, wie’s kommt, wird’s mitgemacht. Sonst geht es mir gut. Nur von zu Hause habe ich schlechte Nachricht. Eines meiner Kinder ist schwer erkrankt. Daraufhin wollte ich Url. haben, da hieß es, das wäre kein Grund. Ich könnte es doch nicht gesund machen. Man muß sich eben vieles sagen laßen. […]“

18.04.1917, Egricurt?: 

„[…] Wir sind wieder an unserer alten Ecke vor Cambrir,  natürlich weiter zurück in der Siegfried-Stellung. Die Engl. waren schon einigemal drinnen, wurden aber wieder herausgeworfen. Hier hat man viel unter den gefährlichsten Gasen zu leiden, hauptsächlich ist von den Engl. Die Blausäure oft angewand, und dagegen gibt es keine Schutzmittel. Allem Anschein nach, wird es dieses Jahr noch schlimmer wie im vergangenen. […]“  

05.05.1917, Postkarte:

 „[…] Wir sollten schon in der Nacht vom 2. auf 3. Mai abgelöst werden, aber da ging die Schweinerei wieder los. Dies war der vierte Durchbruchsversuch der Engl. auch diesmal  ist er gescheitert. In dichten Massen schickten sie die Australier voran, welche alle glatt niedergemäht wurden, dann volgten Panzer-Tanks gegen die wir ja machtlos sind, nur Artillerie kann sie bezwingen. An einigen Stellen konnten die Engl. in unseren Graben, waren aber bis 10 Uhr mittags wieder gefangen oder zurückgeworfen. Unser Drahtverhau ist gespickt mit toten Engl. und Aust. Als der Angriff vorbei war, verlor ich noch ??? in der Gruppe (verwundet) und die beiden Musketen durch einen Volltreffer. Wir waren noch zwei Mann ohne Waffe blieben aber noch die Nacht da und versorgten uns mit Handgranaten im Falle eines Gegenstoses der Engl.  Heute morgen gingen wir zurück zur Comp.  Nun habe ich zwei Durchbruchsversuche der Engl. Mitgemacht, ich hätte jetzt genug von der ???.  Aber man ist immer noch froh wenn man mit heiler Haut davon kommt. Sie werden es auch in den Zeitungen gelesen haben, ich war am Nord-Ende von „Bullecourt“ bei dem Würtenberger Rg. 120. Eine gute Truppe. Mit Urlaub wird es jetzt gar nichts werden, denn unser Btl. hat viele Verluste, hauptsächlich 2. + 3. Comp bei dem Rg. 123 + 124 wo die Engl. bis im 2. Graben waren. Also die Siegfriedstellung ist auch zu nehmen, aber nur für ein paar Stunden. […]

02.06.1917, Postkarte, Phalempin ???:

 „[…] Es kann aber auch sein, daß ich bald zurück ins Geschäft komme, wäre auch besser, L.H. Lehrer! Man muß sich bald schämen in Urlaub zu kommen! Das man schon so lange Soldat ist und noch nicht befördert. Andere sind erst 15. eingerückt und sind schon Unteroffz. Wir haben bei Boullecurt 8 Unteroffz. verloren. Ersatz dafür kam aus der Garnison. Hätten sie nicht uns alten Leute befördern können? Die Unteroffz. kamen aus Garnison, wo sie über ein Jahr waren, und wollen uns hier in Ruhe beim exerzieren herum jagen, ist das recht?  Wäre ich noch bei meiner Kompagnie L/117 da wäre ich jetzt Vize-Feldwebel, hier werde ich nichts. Mir ist es nicht bloß um den Tittel, sondern auch wegen den Mittel. […]“

22.06.1917: 

„[…] Wo unsere Heeresleitung etwas Brenzliches macht, sofort müßen Musketen hin. Es ist aber nichts besonderes vorgefallen, nur einige engl. Aufklärungs-Patroulien haben wir ganz unsanft empfangen, wir erhielten nur einige ganz leicht verwundete dabei. Wie ich auf dem Bilde ausehe so ist es richtig, da siegt schon halb der Blick. Je länger der Krieg dauert, desto kälter und im Ausehen, wilder wird man. Aufregung im Gefecht kenne ich überhaupt nicht mehr. Ein feindl. Angriff, ja das ist bei mir was Altes, ja bald was alltägliches und wenn es noch so überraschend kommt. Ich muß ja selbst sagen, „ich hatte schon immer Glück.“ Der Krieg ist ebensogut wie ein Lotteriespiel. Einer hat halt mehr Glück wie der Andere. […]“

22.06.1917:

 „[…]Was nun die Beförderung betrifft, so kann ich nur schreiben, daß es nur diejenigen soweit bringen, welche bei Ihren Vorgesetzten schön tun und schmusen können, in einem Tage 100 mal Herr Feldwebel sagen und schließlich noch öfters Meldungen machen über Leute die bald 3 Jahre im Felde sind. Auch ich bin einer von Denjenigen, der sich von so einem jungen Lecker nichts sagen läßt, denn die haben keine Erfahrungen, kommt der Engl. dann gehen Sie stiften. Auch ich hatte bei Boullecurt so einen Truppenführer (Unteroffz.) Beim Angriff ging er stiften und nach zwei Tagen kam er wieder. Natürlich kam es bei mir schlecht an, trotzdem er mein Vorgesetzter war, habe ich Ihn wieder fortgejagt. Er ging zurück zur Comp. und meldete sich krank. Ich hatte damals einige Tage später auch meine zwei Gewehre verloren und faßt alle Leute, da geht man wieder über so einen Fall weg, aber richtig müßte man so einen Feigling entlarven. Ich kann das aber nicht. Ich bin eben der Dumme dabei. Auch ich würde alle 10 Tage lieber 13 Mg. Als 6,30 Mg. einehmen. ich hätte als verheirateter Mann eher Zweck dafür, als die jungen Lecker??? Die es doch nur unötig vergeuten. Nun noch eins. Sie werden vielleicht schon von der neuen hess. Auszeichnung gehört haben. Das hess. Kreuz aus Eisen. Es ist eine wunderbare Auszeichnung und wird wie das E.K.I. auf der lk. Brustseite getragen. Es können daselbe aber nur hess. Staatsangehörige erhalten, die schon länger wie zwei Jahre in vorderster Linie kämpfen und schon mindestens einmal verwundet waren. Das sind natürlich herzlich Wenige. Da ich schon 30 Monate in Dick und Dünn mitmache, so hatte ich mich, das es mein Recht ist, um diese Auszeichnung beworben. Leider vergebens, es wurde von höheren Vorgesetzten gesagt, „Der Mann hat Auszeichnungen genug.“ Aber warum? --- Weil wir im ganzen Btlj. Keinen Offz. haben, der es tragen darf, denn keiner ist aus Hessen. Ich bin der einzige in meiner Komp. Der es beanspruchen kann, nur müßte man Gönner haben. Ich werde die Sache aber nicht ruhen laßen. Nun habe ich mich mal ausgeleert und gesildert wie es einem alten Krieger geht. […]“

14.08.1917: 

„[…] Wir liegen immer noch auf dem Schießplatz, weit hinter Laon, haben aber die gute „Hoffnung“ bald an die Front abreisen zu können. Wenn wir nur nicht nach Fladern kommen. Nicht der Gefechtstätigkeit wegen will ich nicht dorthin, sondern wegen dem Gelände, dort ist zuviel Wasser, und die Nässe paßt nicht zu meinem Rheumatismus, der mir ausnahmsweise die letzte Zeit viel zu schaffen macht. […]“

14.08.1917: 

„ […] Nun kann ich Ihnen noch die Mitteilung machen, daß mir das hess. Kr.  aus Eisen am 2.8.17 verliehen wurde. Zu gleicher Zeit sende ich Ihnen ein Bild zum Andenken. Ich freute mich sehr uns trage die Auszeichnung sehr gerne. […]“

30.08.1917: 

„[…] Heute, in einer ganz unangenehmer Stimmung, will ich Ihnen einige Zeilen schreiben. Wie Sie schon wissen bin ich einer von den wenigen Hessen im Batl. Seidem ich nun die letzte Auszeichnung habe, ist es faßt nicht mehr zum Aushalten. Den lieben, langen Tag wird man verspottet. Es ist kaum niederzuschreiben, welche Namen die Leute dieser Auszeichnung beigeben z.B. Gesangsvereinsabzeichen, Radfahrer- oder Fliegerabwehr-Abzeichen u.s.w. Nicht nur Mannschaften und Unteroffiziere spotten darüber. Heute sagte ein Offizier, diese zwei Buchstaben E.L. würden „Elender Lump“ heißen. Ist das eine Redensart für einen Offizier? Wenn ich nur soviel Macht hätte, irgendwo an höheren Orts Meldung zu machen, ich würde es sofort tun, damit die Herrn eins aufs Dach bekämen. Letzter schwer beleidigender Ausdruck hat ein Leutnant meiner Komp. Ausgesprochen, mir ins Gesicht bei noch mehreren Offizieren und Mannschaften. Ich bin jetzt noch ganz aufgeregt, daß ich kaum schreiben kann. Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie mir eine privat Adresse angeben könnten, wo ich dies Angelegenheit mal zum weiterbefördern anbringen könnte. Gelingt mir das nicht, dann mache ich mich mal unglücklich. Ich schlage einmal einem in die Fresse, und wenns ein Offizier ist, dann mögen Sie mich zur Meldung bringen, dann erst schlägt für diese Herrn die Uhr 13.“

21.09.1917:

„[…]In der erwähnten Sache habe ich mich abgefunden. Ich tat wie sie mir jetzt geschrieben haben. Ich bin auf Dienstwegen vorgegangen. Ich kam aber nicht weit. Warum? Weil ich zu gut bin. Mein Komp. Führer bat mich, ich sollte die Sache in gütlichem Wege abmachen. Zuerst wollte ich nicht. Da aber der gewisse Offizier 1914 als Gefreiter mit mir zusammen ausgerückt ist, (Lehrer von Beruf) drückte ich ein Auge zu. Ich habe mich mit Ihm abgefunden unter vier Augen. Er hatte halt ohne Überlegung geredet. Aber zu hören bekam er, was er hören sollte. Nun haben die Herrn einen höllischen Respeckt vor mir. Einen Tatbericht über „Ihn“ hätte Ihm auch seines Zivilberufs wegen zum Verderben werden können, [am Rand angemerkt: Vielgenannter war Lehrer in Weil-Münster und ist gebürtig aus Dillenburg, falls Sie sich für dessen Person interessieren. Name Ltn. Gräf] das hat er selbst zugegeben. Und dies wollte ich auf keinen Fall. Nun ist die Geschichte soweit erledigt. Ich habe soviel bezweckt, daß ich bereits zur Beförderung eingereicht bin. […]

28.10.1917:

 „[…] Die Gefangenenzahl ist bereits auf 100000 Mann gestiegen und dazu noch 6-700 Geschütze. […] Die Italiener werden jetzt die Nase voll bekommen. […]“

01.12.1917, Italien (Bahnhof Pinzano???): 

Sehr geehrter Herr Lehrer! Gestern erhielt ich die von Ihnen abgesanten zwei Packete und eine Karte vom 18.11.17 Für dies alles meinen innigsten Dank. Auch noch vielen Dank für die Bemühung, die Sie sich meinetwegen gemacht haben. Das Packetchen mit der Auszeichnung wird auch in einigen Tagen hier sein. […] Momentan liegen wir in Ruhe und haben eine Ortskommandantur übernommen. So ein Faulenzerleben ist man gar nicht gewohnt. Das ist Arbeit für ganz altes Landsturm. Nun wir können es auch mal schön haben. […] Heute habe ich seit zwei Monaten wieder mal eine deutsche Zigarre geraucht, nochmals vielen Dank.“

01.12.1917: 

„[…] An der Piave stockt es eben etwas, es geht nur ganz langsam weiter. An der Front sind Franzosen u. Engländer. Diese laufen nicht so wie die Italiener. Sie haben schon tüchtig das Fell vollbekommen. 

07.12.1917: 

„ […] Soviel wie man hier erfährt, wäre in Rußland Waffenstillstand. Wenn es wahr ist, dann wäre es wenigstens einmal ein kleiner Anfang vom ersehnten Ende. Ws wäre eine Wohltat für jeden Menschen, wenn es doch bald mal zum Schluß käme. Es ist sicherlich lange genug, und durchgemacht hat man auch genug. Nun wollte Gott es würde recht schnell Friede, Frau und Kinder jammern auch, ich soll nach Hause kommen. […]“

13.12.1917: 

„[…] Der Krieg wird wohl so schnell zu Ende gehen, daß Sie uns an der Front nicht mehr brauchen. Mir wäre es schon lieb, dann wäre ich sicher, daß ich wieder zu meiner lieben Familie, gesund zurückkehren könnte. Friede, welch ein schönes Weihnachtsgeschenk wäre das für alle Menschen. […]“

05.03.1918, Italien: 

„[…] Heute wurde uns der Friede mit Rußland bekannt gegeben. Nun sind wir endlich mal einen Schritt weitergekommen. Wie wird’s aber im Westen kommen, wie vieles Blut muß da noch vergossen werden, bis wir den zähen Engländer so weit haben, mit uns in Friedensverhandlungen zu treten. Nur an diesem hängt die ganze Sache noch. Die par Amerikaner im Westen, nun die schmelzen zusammen wie ein Wassertropfen auf einer glühenden Platte. Na vorerst wollen wir mal mit dem zufrieden sein, was wir bis jetzt erreicht haben. Ende dieses Monats passieren wir ganz sicher Deutschland, um auf der Westfront zu landen. Mir ist es nicht recht, ich wäre lieber in Italien geblieben. Wunderschön ist es hier. Noch eine kleine Offensive von 100km, dann wäre man in der schönen Lompartei. Man muß es eben nehmen wie es komt. Ich habe sehr schöne Zeiten hier erlebt, es ist mir in Italien noch nicht schlecht gegangen. Zu essen und zu trinken in Hülle und Fülle. […]“

15.05.1918, Lüttich, Belgien: 

„Nun meine Ausbildung zu Ende ist […] und in den ersten Tagen an die Front abrücken sollte, verfolgte mich bei einer Nachtübung das Pech. Es war stockfinster im Gelände, und ich sprang, ohne etwas zu ahnen in eine Sandgrube. Dabei habe ich mir das linke Knie verstaucht und ohne dies noch ein kleiner Bluterguß dabei. Es wird wohl einige Wochen dauern, bis ich geheilt bin. Ich liege im Festungslazarett I. Lüttich Saal No. 23. Es ist sehr langweilig hier, zumal für mich, da ich doch am liebsten in der frischen Luft bin. Ich bin kein Freund von vielem Kranksein. Wenn ich ja mal wieder auftreten kann, dann geht es bald wieder. Dauernd im Bette ist die größte Strafe für mich. […]“